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Gebäude

Das entworfene System soll nicht nur den Warmwasserbedarf für Bad und Küche abdecken, sondern auch den für die Raumheizung.

Alle modernen Heizsysteme lassen die manuelle Einstellung der gewünschten Temperatur zu. Der Energieverbrauch des Systems hängt von dieser Einstellung ab.

Beispielsweise sollte bei einer Aussentemperatur von -10 °C die Vorlauftemperatur 45°C sein. Der Temperatur-Level der Wärmeträgerflüssigkeit, die aus dem System wieder rückläuft, ist 15 °C niedriger als der beim Austritt aus dem Speicher. Je näher die Aussentemperatur an der Grenztemperatur liegt, umso niedriger ist die Differenz zwischen Vorlauf- und Rücklauf-Temperatur.

Das Gebäude-Icon steht dabei für beheizte Räume (zu beheizender Wohnbereich inklusive der Wände) oder unbeheizte Räume (wie Garagen, Keller, Kellerraum, in dem das Heizsystem installiert werden kann) oder für beide. Dadurch kann der tatsächliche Verbrauch mit grösserer Genauigkeit geschätzt werden.

Unbeheizte Räume

Unbeheizte Räume können im Gebäude-Dialogfenster aktiviert werden. Die Temperatur des unbeheizten Bereichs kann dabei als Konstante gewählt werden oder als Temperatur-Bandbreite zwischen der niedrigsten und der höchsten Temperatur während des Jahresverlaufs. Der Monat mit der höchsten Aussentemperatur sollte entsprechend dem Standort des Systems gewählt werden.

Abbildung: Dialogfenster Gebäude

Beheizte Fläche

Abhängig von der Komplexität Ihres Modells bietet Ihnen Polysun zwei Simulations-Modelle an: dynamisch und vereinfacht.

Dynamische Modelle

Der dynamische thermische Bedarf des Gebäudes ist in den Simulations-Algorithmus integriert und kann abgeleitet werden durch Beachtung der Heiz-/Kühl-Energiebilanz-Gleichung – hier in einer vereinfachten Form dargestellt:

\(HG – HL = MCp \cdot \frac{\Delta T}{\Delta t}\)

HG     = Wärmegewinn [W]

HL      = Wärmeverlust [W] MCp   = Wärmekapazität [J/K]

\(\Delta T\) = Temperaturveränderung pro Zeitschritt im Gebäude [K]

\(\Delta t\) = Zeitschritt [s]

Diese Gleichung berücksichtigt passive Wärmegewinne durch die Sonne, die Körperwärme der Menschen, die in dem Gebäude leben, die Luftwechselrate, die Art der Beleuchtung und schliesslich die vorhandenen Elektrogeräte. Das Fensterfläche-Wand-Verhältnis (engl. Window-to-wall-ratio, WWR) ermöglicht es, auch den Einfluss der verwendeten Art der Verglasung zu berücksichtigen. In Abhängigkeit von den verwendeten Fenstern kann sich dies im SHGC-Wert (Solar Heat Gain Coefficient, solarer Wärmegewinn-Koeffizient) niederschlagen.

Entsprechend wird der Energieertrag wie folgt berechnet:

\(HG = (G \cdot SHGC \cdot WWR) + HGpeople + HGlight + HGequipment + Gsys\) [W]

G: Gesamte Solareinstrahlung auf die Wand [W]

SHGC: Solar Heat Gain Coefficient bzw. Solarer Wärmegewinn-Koeffizient, Wert hängt von der verwendeten Fensterart ab [-]

WWR: Fensterfläche-Wand-Verhältnis [-]

HGpeople: Wärmegewinn durch die Körperwärme der in dem Gebäude lebenden Menschen [W]

HGlight: Wärmegewinn durch die Beleuchtung des Gebäudes [W]

HGequipment : Wärmegewinn durch den Betrieb elektrischer Geräte [W]

Gsys: Wärmegewinn/Wärmeentzug durch das Heiz-/Kühlsystem (in der Kühlperiode ein negativer Wert) [W]

\(HL = HLtransmission + HLventilation + HLinf\ iltratio\) [W]

\(HLtransmission = UA(T_{in} – T_{out})\) [W]

Wobei U für den gesamten Wärmetransferkoeffizienten des Gebäudes steht, A für die gesamte Oberfläche der Gebäudehülle, \(T_{in}\) für die Innen- und \(T_{out}\) für die Aussentemperatur.

\(HLventilation = \left( \dot{V} \cdot \rho \cdot Cp \right)freshair \cdot (T_{in} – T_{out})\) [W]

Hier stehen \(\dot{V,\rho}\) und Cp für den Tagesdurchsatz, die Dichte und die spezifische Wärmekapazität der Frischluft steht, die durch das Ventilatorsystem ins Gebäude geholt wird.

\(\dot{V}freshair = \frac{V \cdot ACHventilation}{3600}\) [m3/s]

V: Gesamter mit dem Ventilator belüfteter umbauter Raum  [m3]

ACHventilation: Zahl der Luftumwälzungen durch das Ventilatorsystem [1/h]

\(HLinfiltration = \left( \dot{V} \cdot \rho \cdot Cp \right)inf\ iltration \cdot (T_{in} – T_{out})\)

\(\dot{V}inf\ iltration = \frac{V \cdot ACH\inf\ iltration}{3600}\) [m3/s]

ACHinfiltration: Zahl der Luftumwälzungen durch Infiltration.

(In der Kühlperiode haben HLtransmission, HLventilation, und HLinf itration jeweils einen negativen Wert.)

Bei der Angabe der gesteuerten Belüftung gibt die Luftwechselrate an, wie häufig pro Stunde die gesamte Luft ausgetauscht wird. Der Umfang der Wärme, die mittels eines Luft-/Luft-Wärmetauschers zurückgewonnen werden kann, liegt typischerweise bei etwa 50 Prozent. Auch dieser Wert kann bei Polysun eingegeben werden (im Parameter Effizienz Wärmerückgewinnung). Zusätzlich werden auch automatische Abschattungen (etwa durch Jalousien oder Sonnensegel) berücksichtigt: Wenn die Aussentemperatur über den Wert steigt, der in Abschattungs-Temperatur eingegeben ist, wird die Einstrahlung um 90 Prozent reduziert.

Das Polysun-spezifische Gebäude-Modell kann zusätzlich extensiv und individuell angepasst werden. Sollten die spezifischen Heizlasten unbekannt sein, wird das Gebäude entsprechend veränderbaren Standard-Dimensionen und über eine Vielfalt aus einem Katalog auswählbarer Gebäudetypen (die wiederum zahlreiche internationale Standard-Haustypen abbilden) definiert. Wenn Sie irgendeinen Parameter eines Gebäudes, das Sie aus dem Katalog ausgewählt haben, verändern, beachten Sie jedoch, dass Sie den Wert für U entsprechend ändern. Der U-Wert bezieht sich auf das gesamte Gebäude inklusive der Türen und Fenster. Der Vorzug des Gebäudemodells besteht in zahlreicheren Möglichkeiten zur Individualisierung des Grundrisses und der Möglichkeit, in einem Gebäude mehrere Heizkreise unterzubringen.

Hat das System für mehr als sechs Stunden nicht genug Heizenergie zur Verfügung, erscheint eine Energiedefizit-Warnung am Ende der Simulation.

Alternativ kann ein Gebäude definiert werden entweder anhand eines bekannten Energiebedarfs oder anhand des Jahresenergieverbrauchs (sogenanntes vereinfachtes Gebäudemodell). Geben Sie hierzu bei der Frage „Energieverbrauch bekannt“ ein „Ja“ ein. In diesem Fall wird eines der vereinfachten Gebäudemodelle verwendet.

Vereinfachte Modelle

  • Das Quasi-dynamische Modell berücksichtigt dynamische Gebäudeeigenschaften (wie Solarertrag), selbst wenn die statischen Verbrauchswerte durch den Benutzer vorgegeben werden, bevor die Simulation startet.
  • Das bekannte Gradstunden-Modell. Informationen über dieses Modell können Sie im Buch Solar Engineering of Thermal Processes 3rd Edition, von John A. Duffie und William A. Beckman (2006, Hoboken, New Jersey, John Wiley & Sons Inc.) finden.
  • Modell für den stundengenauen Energieverbrauch. Ziel dieses Modells ist es, den Heiz- und/oder Kühlbedarf in Form von Stundenwerten für das Gebäude auszulesen und zu verarbeiten.

Es gibt vier Möglichkeiten, den Heizenergiebedarf im vereinfachten Modell zu definieren:

  1. Der jährliche Energiebedarf ist der gesamte jährliche Heizenergiebedarf des Gebäudes (ohne Warmwasser). Der gesamte Wärmeverlust des Gebäudes ist der durch die Gebäudehülle und der durch Ventilation bzw. Infiltration. Dieser Wert ist immer grösser als der des gesamten jährlichen Energiebedarfs und schwankt in Abhängigkeit von der Gebäudeart und dem Klima.
  2. Der Brennstoffverbrauch des Wärmeerzeugers wird mit seiner Effizienz multipliziert (dabei wird für neue Generatoren eine Effizienz von 85 Prozent, für alte Generatoren eine von 60 % angenommen).
  3. Der maximale Heizleistungsbedarf kann auf zwei Arten errechnet werden:
    1. wenn bekannt ist, zu welchen Zeiten der Wärmeerzeuger mit Spitzenlast läuft (ablesbar aus einer Tabelle),
    1. wenn die höchsten Wärmeverluste bei den niedrigsten   Umgebungstemperaturen bekannt sind, kann der UA-Wert (Gebäudeeigenschaft) berechnet werden und daraus folgend die jährlichen Wärmeverluste und der Bedarf des Gebäudes.
  4. Der monatlich-jährliche Bedarf folgt demselben Ansatz wie der jährliche Energiebedarf, verteilt die verfügbaren Heizenergiebedarfe und Wärmeverluste aber auf die einzelnen Monate.

Von grosser Bedeutung ist die Platzierung der thermischen Komponenten in Bezug auf das Gebäude. Dafür stehen drei Orte zur Verfügung: ausserhalb des Gebäudes, in einem beheizten oder einem unbeheizten Raum des Gebäudes. Beispielsweise kann der Speicher entweder im Gebäude oder ausserhalb installiert werden. Polysun lässt Sie ein Projekt auch mit mehr als einem Gebäude entwerfen. Wenn Sie sich für eine Platzierung des Speichers innerhalb des Gebäudes entscheiden, müssen Sie angeben, wo der Speicher installiert werden soll, namentlich, ob in einem beheizten oder einem unbeheizten Raum. Wenn Sie den Speicher in einem unbeheizten Raum installieren, kann der Prozentsatz des Wärmeverlustes an die beheizten Räume definiert werden.

Abbildung: Installation der thermischen Komponenten im Innenbereich, in der beheizten Wohnfläche oder in den unbeheizten Räumen

Für die Komponenten, die auf der beheizten Fläche installiert werden, fliessen die Wärmeverluste in die Wärmegleichung des Gebäudes mit ein. In die thermische Bilanz fliessen die tatsächlichen thermischen Gewinne und Verluste ein. Die nachstehende Grafik verdeutlicht, wie Wärmeverluste thermischer Komponenten die Wärmegleichung des Gebäudes beeinflussen und zwar in Abhängigkeit von der Temperatur, zu der dieser Wärmeverlust stattfindet.

Abbildung: Grafische Veranschaulichung der Bedeutung von Wärmeverlusten in der Wärmegleichung eines Gebäudes in Abhängigkeit von der Temperatur

Die Wärmeverluste an den unbeheizten Raum werden anhand des folgenden Ansatzes errechnet:

  1. Ist die Raumtemperatur niedriger als die Sollraumtemperatur \(T_{set}\) + 1℃, decken die Wärmeverluste einen Teil des Heizbedarfs (so genannte wiederverwertbare Verluste QR);
  2. Ist die Raumtemperatur über der Sollraumtemperatur \(T_{set}\) + 1℃, aber unter der Sollraumtemperatur Kühlen \(T_{C}\), können die Wärmeverluste nicht im Gebäude verwendet werden (so genannte nicht wiederverwertbare Verluste QNR);
  3. Liegt schliesslich die Raumtemperatur über der Sollraumtemperatur Kühlen, führen die Wärmeverluste zu einer noch stärkeren Aufheizung des Gebäudes und steigern so den Kühlungsbedarf QCD.

Die unbeheizten Räume haben eine weitere mögliche Funktion in thermischen Systemen. Sie können eine Wärmequelle für eine Abluftwärmepumpe sein. Diese Abluftwärmepumpen werden im Kapitel Abluftwärmepumpen detailliert beschrieben.

Abbildung: Beispiel einer Wärmepumpe, die in einem unbeheizten Raum installiert wurde

Energiebedarf in Form von Stundenwerten

Dieses Modell berechnet den Energiebedarf in Form von Stundenwerten. Es erlaubt genaue Modellierungen des Heiz-/Kühlsystems durch die genaue Berechnung des Energiebedarfs für das Gebäude in Verbindung mit der Zieltemperatur für jede Stunde.

Abbildung: Auswahl des Energiebedarfsmodells in der Polysun-Benutzeroberfläche

Das Bedarfsprofil mit Stundenwerten wird aus dem Profilkatalog „Wärmeleistungsbedarf“ entnommen, welches mit der Energiesenke/-quelle geteilt wird.

Abbildung: Profilkatalog „Wärmeleistungsbedarf“

Je nach Spaltenzahl der hinterlegten Profildatei, wird das Profil unterschiedlich interpretiert:

  • Profil mit 3 Spalten – Zeit, Leistung und variable Zieltemperatur: Die Zieltemperatur wird aus dem Profil entnommen.
  • Profil mit 2 Spalten – Zeit und Leistung: Die konstante Zieltemperatur wird in der Gebäudekomponente konfiguriert.
  • Profil mit 4 Spalten – Zeit, Eintrittstemperatur, Austrittstemperatur und Leistung (Konzipiert für die Energiesenke/-quelle): Nur die Leistung wird verwendet. Ein- und Austrittstemperatur werden vom Gebäudemodell ignoriert. Die konstante Zieltemperatur wird in der Gebäudekomponente konfiguriert.

Die Leistung [W] stellt den Heiz- oder/und Kühlbedarf [W] des Gebäudes dar. Die Zieltemperatur kann im Profil variabel angegeben werden, weil sie von der Jahres- und Tageszeit abhängen kann. Bitte beachten Sie, das die Heizbedarfe als positive Werte (plus) angegeben werden und die Kühlbedarfe als negative Werte.

Das Modell des Energiebedarfs in Stundenwerten kann als Schnittstelle für andere Simulations-Software benutzt werden. Diese Simulationssoftware sollte die Verarbeitung von Gebäude-Energiebedarfsstundenwerten zulassen. In diesen Fällen kann das Gebäude zuerst im Detail mit anderer Gebäudesimulations-Software (wie Energy Plus, IDA ICE usw.) simuliert werden. In einem zweiten Schritt können dann die Energiebedarfs-Dateien in Polysun importiert werden, wo ein Energieversorgungssystem entworfen und dimensioniert werden kann. Diese Schnittstelle lässt sowohl den Import der Daten für das ganze Gebäude als auch den für unterschiedlich temperierte Zonen eines Gebäudes zu.